Refine
Year of publication
- 2017 (1) (remove)
Document Type
- Diploma Thesis (1) (remove)
Language
- German (1) (remove)
Has Fulltext
- yes (1)
Is part of the Bibliography
- yes (1)
Keywords
- Hochbegabung (1) (remove)
Die Frage „Was ist (musikalische) Hochbegabung?“ ist bereits mehrfach im wissenschaftlichen Diskurs gestellt und sowohl mit qualitativen als auch quantitativen Methoden erforscht worden. Bis dato wurden jedoch die Erfahrungswerte von Instrumentallehrern hochleistender Kinder- und Jugendlicher nicht genutzt.
Mithilfe leitfadengestützter Experteninterviews am Musikgymnasium Schloss Belvedere, „Hochbegabtenzentrum“ der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar, werden in der folgenden Studie Lehrende (N=11) mit jahrzehntelanger Erfahrung, sowohl im Unterrichten musikalisch Hochbegabter als auch im Einschätzen von Leistungen bei Aufnahmeprüfungen und Wettbewerben, zu konkreten Einzelparametern ihrer persönlichen Theorie musikalischer Hochbegabung befragt. Damit leistet die Studie einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion über Begabung in der Musik.
Die Ergebnisse der qualitativen Interviews sind in fünf Hauptkategorien mit ggf. differenzierenden Unterkategorien gegliedert: außermusikalische Persönlichkeitsfaktoren (Selbstbild, Selbstpräsentation, Willenseigenschaften, Empfindsamkeit, Temperament), weitere außermusikalische Parameter (Motorik, Sozialverhalten, Intelligenz), Motivation Musik, altersüberdurchschnittliche Musikdarbietung (Instrumentaltechnik, Rhythmus, Musikalität, Ausdruck und Leidenschaft, Hörfähigkeit) sowie Begabung oder Fleiß.
Die erhobenen Praxistheorien der Experten scheinen sich in manchen Details zu widersprechen, zeigen musikalische Hochbegabung aber insgesamt betrachtet durchgehend als einen multifaktoriellen Komplex, der sich in Verbindung mit den individuellen Persönlichkeiten sehr unterschiedlich ausprägt. Einzelfaktoren sind beispielsweise starke Selbstkritik, ein durch Leistung bestimmtes Selbstbild, ein hohes Präsentationsbedürfnis und „gesunder Ehrgeiz“. Zielstrebigkeit, Fleiß und Wille sowie Konzentrationsfähigkeit werden von den Experten bei als „hochbegabt“ bezeichneten Kindern und Jugendlichen sowohl beobachtet, als auch als unverzichtbar für die optimale Entwicklung des bereits gezeigten Potenzials in der Zukunft angesehen. Weiterhin nennen die Experten die Entwicklung von Gefühlstiefe, den Ausdruckswillen bzw. das Temperament, die Motorik und die Liebe bzw. Hingabe zur Musik und zum Instrument. Eine hohe soziale Flexibilität (z. B. viel alleine üben, aber mit anderen proben), Empathie, divergierendes Konkurrenzempfinden, wache Wahrnehmung, eine hohe Lerngeschwindigkeit und Intelligenz, eine umfassende Kreativität (z. B. eigene Gestaltung/Interpretation), große Motivation und einen starken Willen beobachten die Experten ebenfalls immer wieder bei solchen Schülern. Ein besonders starkes Bedürfnis nach Musik bzw. musikalischen Ausdrucksweisen sowie altersüberdurchschnittliches Interesse an Musik ist für manche Experten der entscheidende Unterschied zwischen „musikalischen“ und „musikalisch hochbegabten“ Kindern.
Einen entscheidenden Hinweis und willkommene Bestätigung ihrer Prognose musikalischer Hochbegabung sehen die Experten in der altersüberdurchschnittlichen Leistung, die Kinder und Jugendliche beispielsweise bei Wettbewerben erbringen. Einzelne konkrete Erwartungen der Experten an die Instrumentaltechnik, die Werkauswahl und eine musikalische Darbietung von 10- und 16jährigen musikalisch Hochbegabten stellt die Studie in eigenen Tabellen zusammen.
Dem Phänomen des sogenannten Absoluten Gehörs messen die Befragten keine große Bedeutung bei. Außerdem betont ein Großteil der Befragten die Multifaktorialität (musikalischer) Hochbegabung und die damit einhergehende Bedeutungslosigkeit von Einzelparametern.
Fleiß (und die daraus folgende Expertise) wird in der Praxistheorie der meisten befragten Experten als entscheidend für die weitere musikalische Laufbahn genannt. Im musikalischen Ausdruck einer Darbietung ist nach Aussage einzelner Experten jedoch der Unterschied zwischen „reinem Fleiß“ und „(Hoch-) Begabung“ zu erkennen. Zur zahlenmäßigen Verteilung von „Hochbegabten“, „Fleißarbeitern“ und „Überforderten“ an der eigenen Institution gibt es z. T. grundverschiedene Ansichten.